In den vorherigen Beiträgen zum Thema „Entscheidungen“, habe ich u.a. darüber geschrieben, dass es sich lohnt, bei ungewissen Entscheidungen mehr Informationen einzuholen und Daten zu sammeln – solange bis man die Entscheidung auf einer besseren Datengrundlage treffen kann.
Heute will ich am Beispiel einer persönlichen Story darüber schreiben, was passieren kann, wenn man das nicht tut: eine Entscheidung zu treffen und trotz neuer Informationen, die eigentlich gegen die Entscheidung sprechen, an ihr festzuhalten.
Es ist schon einige Zeit her, da war ich auf Stellensuche und dabei etwas verzweifelt. Der vorherige Job war furchtbar und schlecht bezahlt, die Zukunftsaussichten unklar, außerdem war ich gerade umgezogen und Corona war noch im vollen Gange. Da bewarb ich mich auf eine Stelle im IT-Bereich, die mir vor allem etwas versprach, was mir zu diesem Zeitpunkt fehlte: Sicherheit.
Ich gab mir viel Mühe beim Bewerbungsschreiben, wurde schon bald zum ersten Vorstellungsgespräch eingeladen und als ich erfuhr, dass ich auch zum zweiten eingeladen war, traf ich bereits die folgende Entscheidung:
„Wenn die mich haben wollen, nehme ich den Job, no matter what comes.“
Als das zweite Gespräch näher rückte, spürte ich immer mehr, wie ich mich zunehmend unwohl fühlte. Natürlich war ich aufgeregt und hatte auch Sorge, dass sie mich ablehnen würde. Schließlich waren die Konditionen zu gut: ein nettes Team, flexible Arbeitszeiten, gute Bezahlung.
Doch mindestens genauso, wenn nicht sogar mehr, hatte ich Angst davor, dass sie mir zusagen würden und ich somit in diesem sicheren, aber für mich so wahnsinnig uninteressanten Job landen würde.
Wie schon erwähnt, die Entscheidung war meinerseits bereits gefallen und jede weitere Information, die ich erhielt und die dieser entgegenstand, tat ich ab mit dem Gedanken „Es wäre so dumm, diese Chance nicht anzunehmen“. Ich ließ es nicht zu, die Entscheidung noch einmal ernsthaft zu überdenken, obwohl mein Gefühl mir jede Menge Informationen lieferte, dass ich mit dieser Entscheidung nicht glücklich sein würde.
Und was passierte dann? Ich bekam den Job und unterschrieb kurz darauf mit gemischten Gefühlen den Arbeitsvertrag, in dem mir meine Festanstellung nach der Probezeit bis zu meinem Renteneintritt zugesichert wurde.
Als es schließlich losging, quälte mich ab Tag 1 zum neuen Arbeitsplatz bzw. schon am nächsten Tag vor den Bildschirm im Home-Office und fing zugleich an, mit mir innerlich in Verhandlungen zu gehen. Darüber, wie lang ich noch bleiben würde. Denn ich hatte noch eine andere Entscheidung bereits getroffen, die lautete: „Mindestens zwei Jahre. Danach kannst du dich guten Gewissens nach was anderem umschauen.“ Zwei Jahre!
Nach dem ersten Tag erlaubte ich es mir jedoch schon zu sagen, es ist okay, ich kann auch nur ein Jahr bleiben. Wer dann ein Problem mit meinem Lebenslauf hätte, bei denen würde ich auch nicht arbeiten wollen. Ein Jahr fühlte sich aber immer noch schrecklich lange an, ich sah ein ganzes, volles Jahr meines Lebens vor meinem inneren Auge verschwinden und verschwendet, für immer.
Sechs Monate wären auch in Ordnung, oder sogar nur drei Monate… immer noch zu viel… Zwei Wochen schienen mir schon zu viel!
Es kostete mich wahnsinnig viel Überwindung, doch schließlich reichte ich keine zwei Wochen später die Kündigung ein.
Inzwischen liegt das Ereignis drei Jahre zurück und ich habe es bis heute fast nie bereut, den Schritt gewagt zu haben. Warum ich es ganz gelegentlich doch manchmal bereut habe, darüber schreibe ich nächste Woche.
Definitiv hätte ich mir viel Stress und schlaflose Nächte ersparen können, wäre ich ich bereit gewesen, meine Entscheidung vorab noch einmal ernsthaft zu überdenken, dann hätte ich den Job gar nicht erst angetreten.
Doch ich bin froh, dass ich es doch getan habe.
Ich konnte nicht wissen, wie es sein würde, in dem Job zu sein, bis ich es tatsächlich war. Ich habe die scheinbar falsche Entscheidung zur besten Entscheidung gemacht (siehe vorheriger Beitrag), in dem ich mich zu einer neuen Entscheidung durchgerungen habe. Die Erfahrung war unangenehm, aber der Lerneffekt wahnsinnig groß – ein Learning auf das ich heute nicht verzichten möchte. Vor allem habe ich über mich etwas extrem wichtiges gelernt, z.B. dass ein hohes, sicheres Einkommen mir weniger gibt, als ich dachte und mir ein abwechslungsreicher Job mit viel Menschenkontakt und weniger Bildschirmarbeit mir wesentlich besser liegt (ich „wusste“ es vielleicht schon vorher, aber seitdem weiß ich es wirklich).
Deshalb, egal, wo du gerade stehst und wie du dich entscheidest, es gibt keine falschen Entscheidung. Du kannst nur lernen.
Habe Mut, deine Entscheidungen zu ändern, wenn die Datenlage sich ändert und ebenso Mut, dabei zu bleiben, wenn sich nur deine Gefühle bei gleicher Datenlage ändern.
Denn dann könnte es sein, dass du zu viel nachgedacht hast.
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